11.12.21

10. / 11. Dezember - Adventskalender

 Die besondere Bescherung

von Katja von der Warth

Auch in diesem Jahr würde der Heilige Abend wieder anders werden als die bis zum Beginn der Pandemie. Wieder würden sie im sehr kleinen Kreis feiern, wieder den vollbesetzten Gottesdienst meiden und vermutlich würde er wieder den ganzen Abend am Computer spielen…  Sie war sehr gefrustet, wenn sie an das anstehende Weihnachtsfest dachte.

Für die Festtage hatte sie eingekauft und am ersten Feiertag würde wenigstens ihre volljährige Tochter zum Mittagessen anwesend sein, auch wenn es deswegen ein veganes Menu geben müsste, freute sie sich doch sehr auf den Besuch.

Heute hatte sie ihrem Mann die Küche überlassen. Er wollte eine einfache Mahlzeit für den Heiligen Abend bereiten. Es gab am Heiligen Abend immer eine einfache Mahlzeit, meist bestehend aus Würstchen mit Kartoffelsalat. Insofern wunderte sie sich nicht, als er schon morgens Pellkartoffeln kochte. Nachdem er diese abgegossen hatte, verließ er jedoch mit einem gefüllten Rucksack das Haus.

„Wo warst Du?“, fragte sie ihn, als er nach 2 Stunden ohne Rucksack wieder auftauchte. „Etwas erledigen. Gleich muss ich nochmal weg.“, antwortete er wenig informativ, aber mit einem Gesichtsausdruck, der sie davon abhielt weiter zu fragen. Während er wieder in der Küche werkelte, gönnte sie sich eine schöne warme Badewanne. Draußen war es so kalt, aber wenigstens schneite es nicht.

Nach einiger Zeit hört sie, wie der wieder die Wohnung verließ. Langsam stieg sie aus der Badewanne und machte sich weihnachtsfertig. Als sie schließlich fertig angezogen in die Küche kam, lag auf dem Küchentisch ein an sie gerichteter Brief.

„Hallo Schatz,
bitte zieh Dich um. Wenn Du dicke Socken, Jeans, einen dicken Pullover, Deine Winterjacke, die Winterschuhe, Schal und Mütze angezogen hast und Deine Handschuhe bei Dir trägst, öffne das Paket, das vor der Haustür steht.
Bitte sei kein Spielverderber und mach mit.
Kuss“

Kurz stockte sie, aber dann wollte sie ihm den Spaß nicht verderben. Egal was er heute Abend vorhatte, es war auf jeden Fall besser, als der Heilige Abend des letzten Jahres. Also ging sie zurück ins Schlafzimmer und zog sich um. Dann öffnete sie die Haustür. Wie von ihm angekündigt, fand die dort ein Paket, welches sie gespannt öffnete.

In dem Paket war eine Taschenlampe und eine handgemalte Landkarte. Sie betrachtete lange die Karte und entdeckte auf ihr einen eingezeichneten Weg, der offenbar vor ihrer Haustür startete. Nachdem sie den Müll entsorgt hatte, zog sie die Haustür hinter sich zu und machte sich auf den Weg, den die Karte ihr anzeigte.

Erst ging es durch die Straßen ihres Viertels. Sie konnte sehen, wie andere Familien das Weihnachtsfest begingen und bedauerte, dass ihr Mann diesen Spaziergang nicht mit ihr gemeinsam machte. Nach einiger Zeit ließ der Weg sie in einen Weg in den Wald abbiegen. Hier war es dunkel und sie war froh, dass er ihr die Taschenlampe mitgegeben hatte. Trotzdem war es unheimlich, der Wald war gar nicht so still, immer wieder knackte es im Unterholz und sie sah sich unruhig um. Wo war ihr Mann? Wie konnte er sie in diese unangenehme Situation bringen?

Dazu wurde ihr trotz der warmen Kleidung von den Füßen her kalt und es ging leicht bergan. Zum Glück war sie im Wald wenigstens vor dem kalten Wind geschützt. Ein Blick auf ihren Plan verriet ihr, dass es nicht mehr weit sein konnte, bis zu ihrem Ziel. Als sie um die nächste Kurve kam, öffnete sich der Wald ein wenig und sie konnte die Umrisse des Aussichtsturms erkennen, auf den sie im Sommer manchmal stiegen, der jedoch in der Dunkelheit mit einem verschlossenen Tor abgesperrt war.

Ihr Plan führte sie direkt auf den Turm zu und sie sah, dass das Tor nur angelehnt war. „Bitte zieh das Tor hinter Dir zu.“, las sie auf einem Zettel, der ans Tor geheftet war. Sie nahm den Zettel ab, ging durch das Tor und schloss es hinter sich. Bei dem lauten Klicken zuckte sie erschreckt zusammen.

Stufe um Stufe stieg sie nach oben. Waren es immer schon mehr als 90 Stufen bis auf die Aussichtsplattform? Endlich konnte sie einen ersten Blick auf die Aussichtsplattform werfen und blieb staunend stehen. Überall waren Kerzen und in einer Ecke stand ein Tannenbaum, in dessen Zweigen eine Lichterkette befestigt war. Unter dem Weihnachtsbaum war ein kleines Geschenk.

Plötzlich ertönten Weihnachtslieder, leise, aber durch die Ruhe hier im Wald klar erkennbar. Sie hörte „Last Christmas“ von Wham und sah sich weiter auf der Plattform um. In einer Ecke stand ein kleiner Tisch, festlich gedeckt – ein Candle-Light-Dinner…  Ihr Blick viel auf ihren Mann, der strahlend neben dem Tisch stand. Man konnte ihm ansehen, dass er sich sehr über seine geglückte Überraschung freute.

Sie hatte Tränen der Rührung in den Augen, als sie die letzten Stufen zu ihm nach oben ging. Er empfing sie oben an der Treppe und geleitete sie zu ihrem Platz. Auf dem Campingkocher kochten die Würstchen und er reichte ihr die Schüssel Kartoffelsalat. Noch nie hatte sie dieses einfache Essen so genossen, wie heute Abend. Glücklich strahlte sie ihn an. Es würde doch ein wunderschönes Weihnachtsfest werden.

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