Diversity-Diskussion in
der Weihnachtsmann-Manufactur
von Katja von der Warth
„Nein, nein, nochmals
nein! Wie oft soll ich Dir noch erklären, dass der Weihnachtsmann ein rotes
Kostüm hat und kein buntes?“ Chefwichtel Lars hat seine Hände in die Seiten
gestemmt und steht bedrohlich vor der kleinen Wichtelfrau Dina. Diese sieht ihn
trotzig an: „Es ist ein Statement zur Diversity, dem sich auch und gerade der
Weihnachtsmann nicht entziehen sollte. Hast Du inzwischen den Mut besessen, es
mit dem großen Boss zu besprechen?“ „Jetzt werd´ mal nicht frech, Wichtelchen,
ich habe Dir beim letzten Mal schon erklärt, dass der Weihnachtsmann sich nicht
in politische Belange einmischt. Wenn ich morgen früh wiederkomme, haben diese
Weihnachtsmänner ein rotes Kostüm, verstanden?“ Damit geht Lars immer noch
wutschnaubend zurück in sein Büro und Dina?
Dina denkt gar nicht
daran, die Kostüme in den Regenbogenfarben durch rote zu ersetzen. Sie schnappt
sich eine Diversity- Schokoladen-Weihnachtsmann und eine von den halbnackten
Schokoladen-Weihnachtsfrauen und stapft aus der Schokoladen-Manufactur am Nordpol.
Staunend sehen die anderen Wichtel ihr nach und dann wieder an ihre eigenen
Schokoladen-Werkstücke, denn schließlich ist der Heilige Abend nicht mehr weit.
Dina ist immer noch so
außer sich, dass sie glatt und direkt am Vorzimmer-Wichtel vorbeistapft, direkt
in das Chefbüro des Weihnachtsmanns. Dieser sieht verdattert von dem
Wunschzettel auf, den er gerade studiert, fängt sich aber sofort wieder und
sieht Dina gütig über seine Brille hinweg an. „Na, Dina, wo brennt es denn, das
Du mich so dringend sprechen musst, dass Du hier so hereinstürmst?“
Dina stellt die
Schoko-Weihnachtsfrau auf den Tisch. Der Weihnachtsmann lächelt und sagt: „Ein
schöner Gedanke, so eine attraktive Gefährtin zu haben, findest Du nicht,
Dina?“ „Doch.“, erwidert Dina lächelnd. „Sie ist wunderschön, hat tolle
Proportionen, ihre Attraktivität kann wohl niemand leugnen. Aber sie entspricht
leider nicht der Realität, oder, Boss?“ „Nein, das ist ja auch nicht schlimm.“,
entgegnet der Weihnachtsmann. „Ein bisschen Phantasie ist doch nicht verboten
und viele Menschen glauben ohnehin, dass es uns nicht gibt…“
Nun holt Dina hinter
ihrem Rücken den Weihnachtsmann im Regenbogenkostüm hervor und lächelt den Boss
gewinnbringend an. „Dieser entspricht auch nicht der Realität, liegt mir aber
sehr am Herzen. Lars ist jedoch gegen einen Diversity-Weihnachtsmann.“ Der Boss
schweigt und Dina weiß, dass es besser ist, ihn ein wenig die Situation
überdenken zu lassen. Schließlich sagt er: „Hol Deine beiden Wichtelmänner von
ihrer Arbeit ab, geht nach Hause und macht Euch einen schönen Abend. Morgen
früh erwarte ich Euch dann entspannt zum Dienst.“
Dina ist überrascht, dass
der Weihnachtsmann weiß, dass sie außerhalb des Dorfs mit zwei Wichtelmännern
zusammenlebt. Eigentlich sollte es sie ja nicht wundern, denn er ist
schließlich der Weihnachtsmann, aber sie war davon ausgegangen, dass niemand am
Nordpol ihr Geheimnis kennt. Dafür nehmen die Drei schließlich extra einen
weiten Arbeitsweg in Kauf. Aber was soll´s, wenn der Boss einem in der
Hauptsaison einen freien Abend schenkt, sollte man das Beste daraus machen und
was das Beste ist, davon hat Dina schon eine ganz genaue Vorstellung.
Schnell holt sie ihr
Handy raus und schreibt ihren beiden Liebsten: „Der Weihnachtsmann hat gesagt,
dass wir drei jetzt für heute Feierabend machen sollen. Wir sehen uns zu Hause.“
Nach dem Absetzen der Whatsapp geht Dina
erst einmal in den Supermarkt. Dann saust sie nach Hause, so schnell ihre
Wichtelfüßchen sie tragen. Sie ist immer noch die erste daheim, da sie den
Überraschungseffekt auf ihrer Seite hat. Flugs deckt sie romantisch den Tisch
für drei Personen und begibt sich in die Küche, um ihre Lieben mit einem ihrer Lieblingsgerichte
zu bekochen.
Das Essen ist fast
fertig, da sie hört, wie die Haustür geöffnet wird. „Hallo Schatz, wie kommen
wir denn zu dem freien Abend mitten in der Saison?“, hört sie Nils brummen. „Mein
Chef war völlig überrumpelt, aber da es von ganz oben angeordnet wurde….“ Den
Geräuschen nach legt er den Mantel ab und zieht die Schuhe aus. Kurze Zeit
später erscheint er im Türrahmen zur Küche. Passend zu seiner blauen
Wichtelmütze, hat er ein blaues Shirt und eine blaue Stoffhose an. Er sieht
einfach hinreißend aus.
„Mhh, hier riecht es
appetitlich.“, sagt er und streckt die Finger schon aus, um den nervösen
Topfgucker zu spielen. Dina klopft ihm auf die Finger und sagt: „Bitte geh ins
Wohnzimmer und mach uns den Kamin an. Ich möchte den überraschenden freien
Abend romantisch begehen.“
Als Nils gerade das Feuer
entfacht hat, wird wieder die Haustür geöffnet. Sven stürzt herein.
„Entschuldigt bitte, mein Chef wollte das mit dem freien Abend nicht glauben
und hat die Chefsekretärin vom Weihnachtsmann angerufen. Erst nach dieser
Bestätigung durfte ich gehen. Womit haben wir uns diesen freien Abend denn
verdient, meine Lieben?“ „Weiß ich noch
nicht,“, antwortet Nils, „aber das wird sie uns bestimmt beim Essen verraten.“
Der ganz in grün
gekleidete Sven betritt ebenfalls das Wohnzimmer. Dina trägt die Vorspeise auf
– Tomate-Mozzarella und setzt sich zu den beiden an den Tisch. „Sven, Liebling,
wärst Du so lieb, den Wein zu öffnen und die Kerzen anzuzünden?“, fragt sie.
Als sie nun so zusammensitzen und essen, beginnt Dina zu erzählen. „Ich
habe Euch doch von der Idee des regenbogenfarbenen Weihnachtsmanns erzählt.
Diese habe ich in die Tat umgesetzt, aber Lars war nicht so begeistert. Ich
finde aber die Diversity-Kampagne so wichtig, dass ich zum Weihnachtsmann
gegangen bin und versucht habe, ihn zu überzeugen. Ob das gelungen ist, kann
ich Euch noch nicht sagen, aber er hat uns auf jeden Fall diesen Abend
geschenkt und wir sollten das Beste daraus machen.“
Nils starrt Dina entsetzt
an: „Heißt das der Weihnachtsmann weiß, das wir drei …“ „Ja, aber das wusste er
schon, ich habe es ihm nicht erzählt“, unterbricht Dina ihn. „Die Sekretärin
hat meinem Chef auch nur gesagt, dass der Weihnachtsmann mir heute Abend frei
gegeben hat und nicht warum oder mit wem…“, beginnt Sven. „Ich glaube, wenn wir
uns nicht outen wollen, wird er das nicht tun.“, beendet Dina die Diskussion,
„Und nun ist Zeit für die Hauptspeise – Nudeln mit Walnuss-Sahne-Sauce.“
Bald schon ist der
Schreckmoment vergessen und sie unterhalten sich, scherzen und genießen das
Essen. Nach dem Essen, zu dem Dina auch noch Vanillepudding als Nachtisch
gezaubert hat, mit dem die Drei sich gegenseitig gefüttert haben, lockt Dina
die beiden auf die Couch zum ruhigen DVD-Abend. Das Feuer knistert im Kamin und
Nils hat eine Sektflasche geöffnet und ihnen eingeschenkt.
Wohlig kuscheln sich die drei
Wichtel auf der Couch zusammen unter eine Kuscheldecke und sie genießen die
unverhoffte gemeinsame Zeit mit Harry-Potter-Filmen.
Nach dem Gespräch mit
Dina war der Weihnachtsmann zum Chef der Schokoladenmanufactur geeilt, um
diesem vor Augen zu führen, weshalb Dina die Diversity-Kampagne so am Herzen
liegt. Er hat Lars die Szene in Dinas Haus gezeigt. Nun haben sich die beiden
zurückgezogen und besprechen bei einem guten Tropfen die Situation. Verstehst
Du nun, warum ihr der Diversity-Weihnachtsmann so wichtig ist? Sie will, dass
ihre Form des Zusammenlebens genauso anerkannt wird wie meine oder auch wie
Deine.“ Lars errötet bis unter die Haarspitzen. „Keine Angst, Dein Geheimnis
ist bei mir sicher und ich gehe davon aus, dass Du Dinas Geheimnis ebenso hüten
wirst. Denk heute Abend nochmal über Dinas Schokoladen-Weihnachtsmann-Vorschlag
nach und entscheide morgen, wie Du damit umgehen möchtest.“
Am nächsten Morgen sammelt
Lars alle bunten Schokoladen-Weihnachtsmänner ein und bringt sie in sein Büro.
Dann lässt Dina zu sich kommen. Mit fachmännischem Blick betrachtet Lars Dinas
Werkstücke und sagt dann: „Die sehen eigentlich ganz interessant aus. Warum
sollte der Weihnachtsmann auch immer Coca-Cola-rot tragen? Von mir aus kannst
Du die Kostüme des Weihnachtsmanns ab sofort so gestalten, wie Du es magst,
vielleicht kommen ja ein paar blaue, grüne, rote oder eben auch bunte dabei heraus.
Abnehmer werden sich für alle finden lassen.“
Schöne Weihnachtszeit Euch allen.
Tolle Geschichte
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