24.12.22

24. Dezember 2022 – DAMALS

DAMALS
von Katja von der Warth

 „Was schaust Du von da oben auf mich herab? Komm doch lieber wieder runter, mit Dir war es Weihnachten immer so viel schöner.“, flüsterte sie seinem Bild zu. Mit Tränen in den Augen sah sie sein Bild an. Es war das erste Weihnachtsfest ohne ihn, war er doch nach 58 Ehejahren eines Morgens einfach nicht mehr aufgewacht. Ein Schock für sie.

Sie dachte zurück an die unzähligen gemeinsamen Weihnachtsfeste, zuletzt im Kreise ihrer Enkel und Kinder. Auch in diesem Jahr hatten ihre Nachkommen sie besucht, aber nur kurz, mehr war hier im Heim nicht drin.

In Gedanken ließ sie auch einige andere Weihnachtsfest vorbeiziehen. Sah ihre Kinder in jungen Jahren mit glänzende, Augen vor dem Baum. Hörte das schlechte Flötenspiel ihrer Töchter und sah die Katze wieder in den Baum springen.

Ganz besonders erinnerte sie sich aber an das erste Weihnachtsfest mit ihrem Mann in der ersten gemeinsamen Wohnung. Um diese Wohnung zu erhalten, hatten sie extra wenige Wochen vorher geheiratet…. Lange ist es her.

Der Abend war wunderschön gewesen. Sie hatten Frank Sinatra gehört, das eine oder anderen Glas Wein getrunken und die echten Kerzen am Weihnachtsbaum beobachtet. Liebevolle kleine Geschenke hatte es gegeben, nichts so Großes und Extravagantes wie es neuerdings Usus war. In liebevoller neuer Gemeinschaft hatten sie ganz für sich den Heiligen Abend verbracht, ohne Störungen.  

Auch heute noch spürte sie noch diese Verbundenheit mit ihm, diese Liebe, die sie auch damals verbunden hatte. Sie nahm seine Bild in die Hand und drückte es an sich.

Am Morgen des 25.12. fand die junge Pflegerin, die alte Dame selig lächelnd in ihrem Bett vor. Das Bild ihres geliebten Mannes in den Händen war sie in der Nacht sanft entschlafen und hoffentlich nun wieder mit ihrem Manne im Himmel vereint.

01.12.22

1. Dezember 2022 - Der Adventskalender

Der Adventskalender
von Katja von der Warth

An manchen Tage fiel es Lisa schwerer als an anderen, eine Fernbeziehung führen zu müssen, aber aus beruflichen Gründen ging es derzeit nicht anders. Heute war wieder einer dieser Tage. Es ist der 1. Dezember und Lisa sah auf die Nachricht, die Alex ihr gerade geschickt hatte.

Nun aber von Anfang an: Seit Jahren schenkte Lisa Alex einen Adventkalender, den sie ihn immer mit allerlei kleineren oder größeren, essbaren oder nützlichen Dingen befüllt hatte. Lisa wollte ihm damit die Zeit, bis sie sich zu Weihnachten wieder für längere Zeit in die Arme schließen können, zu versüßen. So hatte sie ihm auch in diesem Jahr lächelnd einen Adventskalender überreicht.

Am 30. November hatten sie besprochen, dass er den Adventskalender erst nach der Arbeit am Nachmittag öffnen würde. Alex spürte Lisas Nervosität und auch, dass bei diesem Adventskalender etwas anders zu sein schien, als bei denen aus den Vorjahren. Nach der Arbeit schlüpfte er in seine gemütliche Hose, entzündete eine Kerze auf seinem Adventskranz, machte sich weihnachtliche Musik an, holte den Adventskalender vom Regal und setzte sich auf die Couch.

Alex wog den Adventskalender in den Händen. Er schien noch leichter zu sein, als jeder von diesen Schokoladen-Adventskalendern, die einem im Supermarkt nachgeworfen wurden. Neugierig suchte er die Eins und öffnete sie. Sie war leer. Überrascht beugte Alex sich über den Adventskalender und besah sich das Türchen genauer. Dann entdeckte er es: Auf der Rückseite der Tür war ein QR-Code abgedruckt.

Alex stand auf und holte sein Handy aus der Jackentasche. Zurück auf der Couch las er den QR-Code aus und ein Foto von ihren gemeinsamen Unternehmungen. Gerne dachte er an diesen gemeinsamen Tag, an dem sie einen Ausflug in einen Freizeitpark gemacht hatten zurück. Die Erinnerung zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht.

Auch stellte er sich Lisa vor, wie sie ihm diesen Adventskalender vorbereitet hatte, die schönsten gemeinsamen Schnappschüsse des Jahres ausgewählt und sich dabei auch diesen Erinnerungen hingegeben hatte.

Dann schrieb er Lisa eine Nachricht: „Danke für den Adventskalender. Leider hast Du vergessen, ihn zu befüllen, daher habe ich ihn sofort zum Altpapier gebracht.“ Mal sehen, wie schnell sie sich meldete, damit er ihr richtig danken und ihr sagen konnte, wie sehr er sich schon auf die nächsten 23 Türchen freute und auch darauf, wie sie sich gemeinsam nochmal alle Bilder des Kalenders ansahen und in Erinnerungen schwelgten und Pläne für die nächsten Ausflüge machen würden.