O-Hanami
von Katja von der Warth
Vergleichbar mit dem Erwachen der Natur im Frühjahr gewann auch
sie wieder mehr Kraft und Zuversicht je länger die Tage wurden und je kräftiger
die Sonnenstrahlen ihre Haut erwärmten. Hinzu kam, dass sie das japanische
Kirschblütenfest in diesem Jahr mit ihrem Liebsten verbringen konnte. Um
definitiv nicht gestört zu werden, hatte sie ihn mit einem gemeinsamen Kurztrip
in eine andere Stadt überrascht.
Bereits als es noch Februar und kalt war, hatte sie die Stadt
danach ausgesucht, ob es vor Ort schön gelegene japanische Kirschbäume gab und
wann diese wohl blühen würden. Nun packte sie ihre Sachen und achtete darauf,
alles mitzunehmen, was für ein klassisches O-Hanami – Kirschblütenfest –
benötigt wurde. Damit wirklich alles gelänge, hatte sie ein Apartment mit einer
entsprechend ausgestatteten Küche gebucht.
Am gebuchten Termin war das Wetter schon ein paar Tage fast
schon sommerlich warm und über die Webcam hatte sie verfolgen können, dass sich
die Kirschblüte genau richtig einstellen würde. Insofern sammelte sie ihn voller
Vorfreude am Bahnhof ein. Abends gingen sie nett essen und verlebten einen
entspannten gemeinsamen Abend.
Am nächsten Morgen stand sie ganz früh auf, bemüht, ihn
nicht zu wecken. Ein Blick nach draußen bescherte ihr einen wunderschönen
Sonnenaufgang und so ging sie leise summend In der Küche, um alles für ihr Kirschblütenfest
vorzubereiten. Zuerst kochte sie den Sushi-Reis und begann parallel geduldig
mit der Herstellung der Kewpie – der japanischen Mayonnaise . Den Reis stellte sich
zum Abkühlen abgedeckt auf den kleinen Balkon und widmete sich nun dem Sufure
chizu keki –dem japanischen Käsekuchen . Nachdem diese Diva im Ofen war,
bereite sie die Füllung für die Sushi vor.
Parallel deckte sie den Frühstückstisch, damit er, falls er
doch früh wach wurde, nicht direkt Verdacht schöpfte. Um den Kuchennachtisch
abzurunden, zauberte sie nun noch zwei verschiedene Obstsaucen – natürlich Kirsch
und dazu noch Mango – zum Obstsalat und schnitt ein paar Oststücke auf. Diese
Dinge verstaute sie schon auf dem Boden des Picknickkorb.
Endlich war der Reis genug abgekühlt und so konnte sie aus
verschiedenen Gemüsen sowie Shrimps, Lachs und Thunfisch die verschiedenste Sushi
rollen und kunstvoll mit der Mayonnaise verzieren und in einer
Dose drapieren, die mittels Kühlakkus gekühlt wurde. Auch diese Dose
wanderte mit der Wasabipaste in den Picknickkorb.
Gerade als der Käsekuchen fertig gebacken war, hörte sie,
wie er aufstand. Schnell schaltete sie den Ofen ab, toaste das Brot und füllte
seine Kaffeetasse. Dann setzte sie sich
mit ihrem Buch unschuldig an den Kaffeetisch, als hätte sie die ganze Zeit nur
darauf gewartet, dass er aufstände. Gemeinsam frühstückten sie. Während er ins
Bad ging, räumte sie nicht nur den Tisch ab, sondern schnitt auch einen Teil
des Kuchens auf und verstaute diesen im Picknickkorb.
Dann bereitete sie den Aperitif aus geeisten Kirschen und
Holunderblütensirup zu und füllte ihn in eine Flasche um. Nun war der
Picknickkorb endlich vollständig gepackt. Ganz oben befand sich die
Picknickdecke, in ihrer Handtasche waren Geschirr, Besteck und ganz Gläser
untergebracht. Ein Blick auf die Uhr
sagte ihr, dass ihr Timing perfekt war.
So ging sie nun an die Haustür und übergab dem gerade dort
eintreffenden Fahrradkurier den Picknickkorb und eine genaue Erklärung, wann
dieser wo abgestellt werden müsse. Dann kehrte sie ans Spülbecken zurück. Als
er aus dem Bad kam, war kein bisschen ihrer Vorbereitungen mehr erkennbar.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, die Stadt zu
erkunden. Hand in Hand liefen sie durch den Sonnenschein. Lachend zeigten sie
sich die kleinen Besonderheiten der fremden Stadt, die sie entdeckten. Gegen
Mittag schlug er vor, in einem der netten Straßenlokale einzukehren, aber
keines davon gefiel ihr so recht. So gingen sie weiter. Sie schlugen den Weg am
Fluss entlang ein.
In der gemauerten Steinmauer rechts von ihnen spielten
Eidechsen der verschiedensten Größen in der Sonne fangen und sie blieben öfter
stehen, um sich das Schauspiel anzusehen. Die Tiere schienen die Frühlingssonne
genauso zu genießen wie sie selbst. Nach wenigen hundert Metern öffnete sich
rechts von ihnen, wo vorher die Mauer gewesen war ein Park.
In dem Park standen mehrere Kirschbäume, die schon in voller
Blüte waren. Zielsicher ging sie auf den 3. Baum zu und fand dort ihren
Picknickkorb. Sie legte die Picknickdecke in die Sonne unter den Baum und
setzte sich, erfreut über sein verblüfftes Gesicht, auf die Decke. Schnell
zauberte sie zwei Sektgläser aus ihrer Tasche und goss ihnen den Aperitif ein.
Sie prosteten sich zu und
tranken genüsslich, bevor sie die sonstige Verpflegung, die sie leider
nicht ganz japanischer Art „O-Bento“ reichen konnte, auspackte und sie sich
gegenseitig mit Sushi fütterten. Vor der Nachspeise legten sie sich ein wenig
aneinander geschmiegt auf die Decke und sahen in den blühenden Baum. Sie
versuchten die Blüten zu zählen, mussten sich aber auf unzählige einigen.
Schließlich neigte sich der Nachmittag dem Ende und so aßen
sie zum Abschluss noch den Käsekuchen mit den Saucen. Auf dem Weg zurück zum
Apartment nahm er sie sanft bei der Hand und sagte: „Vielen Dank für das
wunderschöne , sehr persönliche O-Hanami. Die Überraschung ist Dir total
geglückt.“